Lernen und Zusammenleben. Dr. Uwe Wiest

Krieg, Amok, Terror


2024: das gilt mehr den je.

geschrieben am 25.7.2016

Einige Gedanken zu dieser widerlichen Triade.

Jedes Mal, wenn Islamisten, Bleiwicke oder ETAs unter Zivilisten ein Blutbad anrichten, zetern die Politiker, als wenn Staaten und Regierungen nur Gutes tun, und unverständlicher Weise von sadistischen Einzeltätern heimgesucht werden.

Über Krieg redet niemand. Wir haben auf der Welt ständig Kriege, in denen Grausamkeiten geschehen, die den heutigen Terror tausendfach, milionenfach übertreffen.

Wenn Regierungen mit ihren Tötungsmaschinerien, genannt Militär, nicht selber morden, so betreiben sie doch gute wirtschaftliche Beziehungen mit Ländern, die offensichtlich terroristisch handeln: foltern, hinrichten, vertreiben.

Der Widerspruch liegt darin begründet, dass Kriegsherren und Folterregime von oben handeln, die Terroristen von unten.

Die Fürsten durften früher jagen, die einfachen Leute nicht. Daher war das Abknallen von Tieren durch den Adel ein Vergnügen, das Wildern einfacher Leute ein Verbrechen.

Darin liegt auch heute noch der Unterschied: Terror und Amok, das ist der Krieg des kleinen unanständigen Mannes gegen den großen unanständigen Mann. Der kleine Mann darf das nicht, was den Staatsmännern erlaubt ist, ja sogar zu deren Ruhm beiträgt.

Der Geschichtsunterricht der fünfziger Jahre bestand zu großen Teilen darin, Männer als die Großen zu bezeichnen, die einen Krieg nach dem anderen geführt haben. Das Morden, Vergewaltigen und Brandschatzen im dreißigjährigen Krieg geschah, weil die Fürsten und Kardinäle das wollten und für ihr Recht hielten. Gustav-Adolf von Schweden beteiligte sich höchstpersönlich an dem Gemetzel. Die Friedrichs der preußischen Dynastie waren allesamt »groß«.

Kriegführende Präsidenten, Fürsten, Kirchenmänner sind Helden. Einfache Leute, die morden sind Verbrecher. Nicht die Tat wird bewertet, sondern der Stand.

Das Empörende an Amok und Terror ist also nicht die Tat an sich, sondern der Fakt, dass sich Menschen wie du und ich (!) Verbrechen herausnehmen, die nur der sogenannten Staatsgewalt zustehen. Georg D. Bush hat hunderttausende Iraker in einem Krieg, bei dem nicht mal die Begründung stimmte, auf dem Gewissen, er ließ Häuser und die Infrastruktur eines Landes zerstören. Es waren nicht 80 oder 5 Tote, sondern einige erhebliche Kommastellen mehr nach rechts.

Die Staatsgewalt wird kaum hinterfragt – es sei denn man verliert den Krieg.

Die Parallele dazu: Steuerhinterziehung der da oben ist ein viel höherer Schaden als der, den Hartz-4-Menschen mit Betrug je anrichten könnten, wenn denn alle das täten. Bezeichnenderweise wird das von rechts nie kritisiert, sondern immer nur die Taten derer, die auf der Ebene des kleinen Mannes oder noch darunter stehen. Verbrechen von Wirtschaft und Staat sind keine oder verzeihliche Verbrechen (Hoeness).

Dazu kommt noch Rassismus: islamische Terroropfer, darüber wird nur nebenbei berichtet, groß getrauert wird im sogenannten westlichen Lager nicht.

Zusammengefasst: die westliche Erregung über Terror und Amok bezieht sich auf weiß-europäisch-amerikanische Opfer und auf Täter, denen solche Taten rangmäßig nicht zustehen.

Daher versucht der Daesch ja auch, sich eine staatliche Legitimierung zu geben und den Terror zum Krieg aufzuwerten, denn wenn das anerkannt würde, wäre die Welt in Ordnung!

Allerdings: zu einem ordentlichen Krieg gehört eine Armee und gehören Schlachten und soldatische Opfer. Die Verbrechen an der Zivilbevölkerung sind ein regelmäßiger Nebeneffekt (Zivilisten sind außerdem potentielle Partisanen und Oppositionelle) und gehören zwingend dazu. Nur zivile Opfer, ohne Soldaten, das ist ja kein richtiger Krieg, und die Taten unterliegen der zivilen Gerichtsbarkeit.

Deshalb tut man dem Daesch auch einen großen Gefallen, wenn man den Ausnahmezustand verhängt und Sondergerichte einsetzt. Denn das wertet den Terrorismus zum Krieg auf.

Frankreich ist auf dem besten Wege dahin.

Kurz gefasst:

Auf diesem Planeten gehören seit je her zur Zivilisation Kriege. In Kriegen gelten die Zivilgesetze nicht, die Bevölkerung, die eingezogenen Soldaten, sind der Willkür ausgesetzt. Je weiter entwickelt die Zivilisation, desto infernalischer und grausamer die Kriege.

Aber: das ging und geht von Staaten, von Fürsten, Präsidenten aus. Jetzt verwildert das. Es gibt Banden, es gibt Netzwerke, es gibt Einzeltäter. Zumal es kein Problem ist, an Waffen heranzukommen.

Das Morden wird sozusagen demokratisiert.

Damit das Ekelpaar Amok und Terror aus dieser verlogenen Moraldebatte herausgenommen wird, sollte man das Ganze mal sachlich sehen. Wenn jemand in einem friedlichen rechtsstaatlichen Land mordet, gehört dieser Jemand nach den geltenden Gesetzen verurteilt. Dabei ist es vollkommen egal, ob jemand aus Eifersucht, völkischer Gesinnung oder weil er ins Paradies kommen will, mordet. Es erübrigt sich dann auch die gebetsmühlenartige (sic!) Frage, ob der Mord einen islamischen, also religiösen Hintergrund hat. Dieser Hintergrund sollte für den Rechtsstaat irrelevant sein, entscheidend ist allein die Tat. Ein Jahr lang einen Amoklauf planen und durchführen, das ist Mord aus niedrigen Beweggründen mit klarem Vorsatz. Lebenslänglich. Basta.

Es geht nicht um die Bewertung, sondern darum, Täter einzufangen, zu verurteilen, unschädlich zu machen.

Die zweite Sachlichkeit besteht darin, dass solche Verbrechen durch eine übertriebene öffentliche Aufmerksamkeit und Sensationsgier nicht aufgewertet werden,

und für potentielle Täter sichtbar ist: es lohnt sich nicht.

Entweder bist du selber tot, oder du stehst nicht als strahlender Held da, sondern als mieses Schwein (die Schweine mögen mir verzeihen). Als Lebender wirst du als Verbrecher verurteilt, als Toter haben alle dich als mieses Schwein, das du bist, im Gedächtnis.

Die dritte Sachlichkeit ist, dass Wirtschaftsbeziehungen mit Unrechtsstaaten so behandelt werden sollten wie Hehlerei, mit Mörder-Regierungen wie Beihilfe zum Mord. Denn nichts anderes ist das. Wer mit Schweine-Regierungen Wirtschaftsbeziehungen unterhält, ist selber ein Schwein. Geschieht das aber weiter, dann sind die moralischen Kommentare a la Gauck und Steinmeier nichts anderes als heuchlerisches Gewinsel.

Terror und Selbstmord

Selbstmord war ein Verbrechen. Der kleine Mann durfte sich nicht selber umbringen, dann wurde er verscharrt wie ein Verbrecher, und das galt als Familienschande. Das Recht über Leben und Tod des Volkes hatten die Fürsten und die Kirche. Der einfache Mensch durfte seinen Wohnort nicht verlassen, seinen Glauben nicht wechseln, bestimmte Kleidung war den Fürsten vorbehalten, nicht einmal sein Körper gehörte dem einfachen Menschen, er durfte sich nicht selbst entleiben. Letzteres unter Strafe zu stellen, war allerdings immer schon kompliziert.

Die Terroristen nehmen also dem Staat und den Armeen nicht nur das Recht auf Mord, sondern die Möglichkeit, den Mord zu sühnen, denn Selbstmord ist jetzt das Recht des kleinen Mörders, ein Teil seines beanspruchten Kriegsrechts. Dazu gehört auch, dass Terroristen bewusst in Kauf nehmen, im Anschluss an die Tat erschossen zu werden.

Sie entziehen sich gleich in zweifacher Weise der Zivilgesellschaft. Das ist Autonomie.

Selbstmord nach Mord, das ist eine weitere Demokratisierung des Tötens.

Die Antwort kann darauf nur sein, dass der Rechtsstaat noch mehr Rechtsstaat wird und ein Vorbild für männliche Helden. Und wenn schon Held, dann eher so einer wie Batman, der Beschützer. Oder der effektive Tatort-Kommissar. Geht zur Polizei, Jungs. zeigt dem Bösen die Kante!

Drohnen auf Zivilisten, das kann es ganz und gar nicht sein, denn dann ist der Staat nur der besser bewaffnete Terrorist und erkennt den Terroristen als ebenbürtigen Kriegsgegner an.

Es reicht nicht aus, Amok und Terror moralisch zu verurteilen. Wir, die Angehörigen einer modernen Gesellschaft, müssen an unserer eigenen Moral arbeiten. Dringend, zügig und mit konkreten Konsequenzen.

Uwe Wiest